Pflegecreme für Bäume?

Publiziert in Aktuelles

Im vergangenen Sommer erreichten mich Fotos von Hobbygärtnern, auf denen Bäume zu sehen waren, deren Rinde am Stamm verletzt war. Die Schäden sahen unterschiedlich aus: Es gab kurze und lange Risse, Stellen, an denen die Rinde streifenartig abgestorben war oder in ganzen Platten fehlte. Bei einigen dieser Verletzungen konnte ich Entwarnung geben, denn die Ursache dafür lag schon einige Jahre zurück. Offensichtlich war diesen Bäumen aus eigener Kraft eine ordentliche Wundheilung gelungen. Was aber war die Ursache?
Eine Kolumne von Pflanzenärztin Dr. Tina Balke


Tina BalkeDr. sc. agr. Tina Balke ist Pflanzenärztin. An sie wenden sich Garten- und Zimmerpflanzenbesitzer ebenso wie Profi-Gärtner, die Probleme mit erkrankten oder schädlingsbefallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden. Die Diplom-Agraringenieurin und promovierte Phytomedizinerin bietet eine Online-Beratung und in der Region Bodensee-Oberschwaben auch Vor-Ort-Termine an. www.die-pflanzenaerztin.de  

Derartige Stammschäden können durch thermische Kräfte im Sommer sowie im Winter entstehen:

  • entweder als Sonnen- oder Rindenbrand,

  • als Frostplatten oder

  • als echte Frostrisse.

Das ist alles nicht wirklich neu: Bereits im Jahre 1886 wird in der Wochenzeitschrift „Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau“ eine Leseranfrage zur Ursache von Rissen an 15 Jahre alten Apfel- und Birnbäumen gestellt. Die Antwort der Redaktion: “Durch die Sonnenwärme ist der Saft der Bäume rege geworden, der starke Frost der darauffolgenden Nächte hat diesen Saft in Eis verwandelt (...) und sprengt (...) die Rinde der Bäume. (...) Bäume müssen nicht vor Frost, sondern vor Wärme geschützt werden! (...) nichts ist schädlicher als Sonnenschein im Winter und die damit verbundenen Temperaturwechsel.“

Ebenso wird der sommerliche Rindenbrand schon im Jahre 1847 als altbekannte Problematik in den „Kritischen Blättern für Forst- und Jagdwissenschaft“ aus Leipzig von einem Herrn Dr. Pfeil beschrieben.

Zurück zur Jetztzeit:

Welche Bäume sind in ihrem Garten davon betroffen?

  • Gefährdet sind vor allem Jungbäume direkt nach der Pflanzung oder nach einem Pflegeschnitt.
  • Ältere Bäume sind dann vor allem betroffen, wenn Sie deren Kronen stark ausgelichtet oder Nachbarpflanzen entfernt haben, so dass Stämme und Äste dem Sonnenschein plötzlich voll ausgeliefert sind.

Warum können diese Verletzungen für den Baum bedrohlich sein?

  1. Weil diese Verletzungen ideale Eintrittspforten für holzzerstörende Pilze und Bakterien sind und

  2. weil es zu Wachstumsstörungen des Baumes kommen kann.

Ein Vergleich mit uns Menschen zeigt, dass uns zu dieser Jahreszeit ähnliche Themen beschäftigen. Vielleicht kennen sie das ja von sich selber: Wer jetzt im Februar beim Skifahren oder in der Natur unterwegs ist, bekommt schnell rissige Lippen. Die Kombination aus Kälte und Sonneneinstrahlung lässt unsere Lippen austrocknen. Abhilfe schaffen sie, indem sie ihren Lippen eine Extraportion Creme oder „Sunblocker“ gönnen. Im Sommer schützen sie ihre Körperhaut mit einer Creme vor einem Sonnenbrand.

Die Natur macht es uns vor: Zum Beispiel können Birken aufgrund ihrer weißen Rinde das Sonnenlicht reflektieren und somit große Temperaturunterschiede in ihrem Stamm verhindern. Das ist eine von vielen Eigenschaften, welche die Birke zu einer idealen Pionierpflanze macht. Daher steht sie oftmals alleine auf weiter Flur und gedeiht auch ohne Schatten dort als erstes, wo andere Baumarten aufgrund der direkten Sonneneinstrahlung keine Überlebenschance hätten.

Soll man also nun Baumstämme eincremen?

Kalkanstrich 6106 RSDie Antwort findet sich ebenfalls in der bereits genannten Wochenzeitschrift von 1886: „Das Aufstreichen des Stammes mit Kalkmilch ist auch ein geeignetes Schutzmittel, indem die weiße Farbe (...) die Erwärmung des Stammes, wenn nicht ganz verhindert, doch bedeutend abschwächt.“

Wer Lust und Zeit dazu hat und große Mengen benötigt, kann diese Kalkmilch zum Anstrich der Stämme günstig selber herstellen. Dazu finden sich in Fachbüchern und im Internet entsprechende Rezepturen aus Branntkalk, Kleister sowie Kuhfladen und Kräutern. Wer diese Zutaten nicht zur Hand hat, der sollte sich eines der ebenfalls sehr gut geeigneten Fertigprodukte im Handel kaufen.

Mit solch einem Weißanstrich können sie ihrem Baum sommers wie winters etwas Gutes tun. Diese Pinselaktion können sie durchaus noch jetzt starten, wenn sie dafür einen frostfreien und trockenen Tag auswählen. Denn die Masse muss gut abbinden bzw. abtrocknen können.

Es gilt dabei zu beachten, dass ein Stammanstrich nur eine vorbeugende und keine heilende Wirkung hat. Wenn ihr Baum bereits eine solche Verletzung hat und dort ein Pilz oder ein Bakterium angesiedelt ist, so können sie von diesem Anstrich keine Bekämpfung der Erreger erwarten.

Übrigens: Dass so ein weißer Schutzanstrich auch anders genutzt werden kann hat die Berlinerin Josefine Günschel bewiesen. In einem ihrer Kunstprojekte hat sie die Rinden von Lindenbäumen mit ansprechenden Mustern verziert. Auf ihrer Website unter www.josefineguenschel.de können sie sich näher darüber informieren. Vielleicht ist das auch eine Inspiration für Sie und Ihren Garten!

Baum Tattoo JGuenschel 
 Bild: Josefine Günschel